Das Anwenden von ISTQB-Prinzipien in agilen Umgebungen erfordert die Anpassung traditioneller Testkonzepte und -methoden an die flexible, iterative und kollaborative Natur von Agile-Projekten.
Testplanung und Strategie
Kontinuierliche Testplanung: In Agile Development ist die Testplanung ein fortlaufender Prozess und kein einmaliges Ereignis. Testpläne sind flexibel und entwickeln sich mit jedem Sprint oder jeder Iteration weiter.
Testplan-Updates: Zu Beginn jedes Sprints sollten die Testpläne basierend auf Änderungen an User Stories, Sprint-Zielen und Prioritäten verfeinert und angepasst werden.
Sprint-weise Risikobewertung: Es empfiehlt sich zu Beginn jedes Sprints eine Risikobewertung durchzuführen, um kritische Bereiche, neue Funktionen und potenziell risikoreiche Elemente zu identifizieren, auf die die Testaktivitäten fokussiert werden sollten.
Teststufen und -arten
Teststufen: Agile Projekte fokussieren auf kontinuierliches Testen in verschiedenen Ebenen:
Modultests: Entwickler schreiben Modultests als Teil von testgetriebener Entwicklung (TDD) oder verhaltensgetriebener Entwicklung (BDD). Dies entspricht dem ISTQB-Prinzip der frühen Fehlererkennung.
Integrationstests: Häufige Integrationen erfordern am Ende jedes Sprints Integrationstests, um sicherzustellen, dass neu hinzugefügte Funktionen mit dem bestehenden System funktionieren.
System- und Abnahmetests: Diese werden typischerweise am Ende eines Sprints oder Inkrements durchgeführt. In Agile Umgebungen erfolgen Abnahmetests oft innerhalb des Sprints, um die „Definition of Done“ für User Stories zu erfüllen.
Testarten:
Funktionale Tests: Konzentrieren sich auf die Verifizierung von User Stories und Funktionen in jedem Sprint.
Nicht-funktionale Tests: Sicherheits-, Performance- und Usability-Tests müssen kontinuierlich in den Entwicklungsprozess integriert werden. In Agile ist es wichtig, diese Bereiche oft automatisiert zu testen, um schnelle Rückmeldungen zu gewährleisten.
Testpriorisierung
Risikobasiertes Testen: In der ISTQB Methodik ist risikobasiertes Testen zentral für die Priorisierung. In Agile Projekten bedeutet dies, dass die riskantesten Funktionen oder Änderungen in jedem Sprint im Fokus stehen.
Story-Priorisierung: Eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Product Owner ist nötig, um herauszufinden, welche User Stories oder Funktionen den größten Business Impact und das höchste Risiko tragen, eine dementsprechende Priorisierung schafft einen guten Überblick.
Exploratives Testen: Exploratives Testen kann das skriptgesteuerte Testen ergänzen, um Probleme zu entdecken, die möglicherweise nicht aus den Anforderungen der User Stories hervorgehen.
Zusammenarbeit und Kommunikation
Die Rolle des Testers: Der Tester in Agile-Teams spielt eine proaktive Rolle und arbeitet eng mit Entwicklern, Product Ownern und anderen Stakeholdern zusammen, um Anforderungen, Abnahmekriterien und Testfälle zu klären.
Three Amigos Ansatz: Die Einführung des „Three Amigos“-Ansatz (Tester, Entwickler und Product Owner) kann helfen, um vor dem Sprint Anforderungen und Abnahmekriterien zu verfeinern, sodass alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis haben.
Frühes und häufiges Testen: Indem Tester von Anfang an in den Sprint eingebunden werden, kann das Testen beginnen, sobald der Code entwickelt ist, was dem Agile-Prinzip der frühen Rückmeldung entspricht.
Testautomatisierung
Automatisierungsframework: In Agile Projekten verlässt man sich stark auf Testautomatisierung, insbesondere für Regressionstests und Continuous Integration (CI). Das ISTQB betont ebenfalls die Automatisierung, was in Agile schnelles Feedback und hohe Testabdeckung ermöglicht.
Continuous Integration und Continuous Testing: Automatisierte Tests werden in der CI-Pipeline ausgeführt, um Fehler frühzeitig zu erkennen. Tools wie Jenkins, GitLab CI oder Azure DevOps werden oft zur Verwaltung der automatisierten Tests eingesetzt.
Automatisierung von Modul-, Integrations- und Systemtests. In agilen Umgebungen sollte die Automatisierung in jeden Sprint integriert und nicht nur als Nachgedanke am Ende des Sprints betrachtet werden.
Risikomanagement
Dynamisches risikobasiertes Testen: Der Vorteil von agilen SW Entwicklungsprojekten ist, dass sich Anforderungen relativ unkompliziert ändern lassen. Daher ist es wichtig, eine dynamische Risikobewertung vorzunehmen und die Tests entsprechend den neuesten Änderungen zu priorisieren.
Risikobewertung in jedem Sprint: Mit jeder hinzugefügten oder geänderten Funktion sollten die damit verbundenen Risiken neu bewertet und die Teststrategie entsprechend angepasst werden.
Fokus auf Auswirkung und Wahrscheinlichkeit: Der ISTQB-Ansatz zur Risikobewertung basiert auf Auswirkung und Wahrscheinlichkeit, was auch in Agile die Testprioritäten leiten sollte. Beispielsweise sollten Funktionen mit hoher Auswirkung für Regressionstests priorisiert werden.
Testdokumentation
Leichte Dokumentation: Die agile Methodik stellt eine funktionierende Software über eine umfassende Dokumentation, aber ISTQB legt dennoch Wert auf strukturierte Testartefakte.
Test-Charta und Checklisten: Statt umfangreicher Testpläne oder -fälle können Sie eine ISTQB Test-Charta, Checklisten oder einfache Szenarien verwenden, um das explorative Testen zu leiten und die Dokumentation leicht und anpassbar zu halten.
Definition of Done (DoD): Die "Definition of Done" sollte sehr klare Testabschlusskriterien enthalten, wie z. B. Modultests, Abnahmetests und Ergebnisse nicht-funktionaler Tests.
Anpassung von ISTQB-Konzepten
Anpassung der V-Modell-Konzepte: Obwohl agiles Projektmanagement dem sequentiellen V-Modell nicht folgt, kann man dennoch dieselben strukturierten Testprinzipien auf iterative Weise anwenden. Zum Beispiel beinhaltet jeder Sprint mehrere Testzyklen, die Modul-, Integrations- und Abnahmetests abdecken.
Testen über den gesamten Lebenszyklus: ISTQB fördert das Testen während des gesamten Lebenszyklus, was in Agile bedeutet, dass das Testen Teil jedes Sprints und nicht eine Phase am Ende ist.
Kontinuierliche Verbesserung
Retrospektiven: Agiles Software Development legt großen Wert auf Retrospektiven, was gut zu ISTQB’s Fokus auf kontinuierliche Verbesserung passt. Retrospektiven können genutzt werden, um die Effektivität der Testprozesse zu analysieren und basierend auf dem Feedback des Teams Anpassungen vorzunehmen.
Testprozessverbesserung: Die Integration von Testprozessverbesserungsstrategien von ISTQB ist hilfreich, um Testpraktiken über Sprints und Iterationen hinweg zu optimieren.
Agile Tester-Mentalität
Anpassungsfähigkeit und Flexibilität: Ein ISTQB-zertifizierter Tester in Agile muss flexibel sein, sich auf sich ändernde Anforderungen einstellen, eng mit dem Team zusammenarbeiten und seinen Testansatz kontinuierlich verbessern.
Frühes Testen und Prävention: Genau wie bei den ISTQB-Prinzipien sollten sich Agile-Tester auf die Vermeidung von Fehlern konzentrieren, anstatt diese erst spät im Prozess zu entdecken.
Fazit
Der Schlüssel des Erfolgs liegt darin, formale Testtechniken mit dem Fokus auf Geschwindigkeit und Flexibilität in agilen Entwicklungsprojekten in Einklang zu bringen.
Comments